Home Die Schattentochter


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Nein, dachte Pia. Ich gehe nie, nie, nie mehr nach Hause. Laut schrie sie:

"Nie, nie, nie mehr. Hört Ihr!"

Sie setzte sich auf eine Müllhalde und wartete, daß sie sterben würde.

Da kam eine Ratte vorbei.

"Hi", sagte die Ratte. "Ich heiße Rattel. Was machst du hier?"

"Igitt! Eine Ratte. Wie kann man nur Tattel heißen."

"Nicht Tattel. Ich heiße Rattel. R A T T E L !"

"Ratten können doch gar nicht reden."

"Alles Unsinn. Ratten sind die klügsten Tiere, die ich kenne."

"Hoffentlich kennst du nicht nur Ratten."

"Soll ich dich beißen?" Rattels Schnurrbarthaare zitterten jetzt wie Zittergras.

"Schluchz! Schluchz."

"Nun weine nicht gleich. Ich meinte es nicht ernst. Wie ein Häufchen Elend sitzt du hier. Was hast du ausgefressen?"

"Gar nichts! Ich sitze hier, weil ..., weil es mir Spaß macht."

"Das soll ich dir glauben?"

"Es ist genau so, wie ich es sage. Nun laß mich in Ruhe!"

"Ich lasse dich gleich in Ruhe, aber erst erzähle ich dir eine Geschichte. Meine Geschichten sind weltberühmt. Also, die Geschichte geht so."

Schnell hielt sich Pia die Ohren zu. Das aller-, allerletzte, was sie jetzt hören wollte, war eine Rattengeschichte. Sie mußte immer nur an ihre eigene Geschichte denken. Und die war schlimm genug.

Unbeirrt begann Rattel zu erzählen:

"Vor n.c.t allzu la.g.r Zeit lebte e.. rei.h.r M.nn, der hatte dr.. Tö..ter. Als s. .n. Töchter im hei...sfähigen Alter waren, k.. ein großes Au.. den Weinberg ....ufgefahren."

"Was? Ich verstehe nur die Hälfte", beschwerte sich Pia.

"Vor nicht allzu langer Zeit lebte ein reicher Mann", schrie Rattel, "der hatte drei Töchter. Als seine Töchter im heiratsfähigen Alter waren, kam ein großes Auto den Weinberg hinaufgefahren."



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