Vor vielen, vielen Jahren ... 2
"Nu macht schon! Wir müssen uns beeilen", mahnte die Mutter. Aber die drei Brüder wollten zu gerne das Brückelzwergel sehen.
Wo steckt denn nur das Zwergel? Vielleicht haben wir heute Glück und sehen es! Am Anfang der Brücke befand sich ein kleiner Torbogen mit einem eisernen Gitter anstelle einer Tür. Das Gitter stand weit offen. Eine schmale steile Steintreppe führte zum Fluß hinunter. Sie stiegen drei Stufen hinab und blickten in die Tiefe. Unten floss die Oder - ein breiter, mächtiger Fluss mit Treibholz, Eisschollen und gefährlichen Strudeln. Am Ende der Treppe war ein alter Kahn befestigt.
Wie wohl das Brückelzwergel aussah? Kurt stand neben Horst und schaute und schaute. Plötzlich hörten sie ein lautes bedrohliches Dröhnen und Pfeifen in der Luft. Es knatterte und rauschte. "Ein Jagdbomber!" schrie Rolf. Er rannte die drei Stufen nach oben und suchte den Himmel ab. Auch Rolf stürzte die Treppe hinauf und starrte in den blassen Winterhimmel. Das Flugzeug flog sehr tief über Breslau hinweg. "Ein Deutscher!" brüllten die beiden Brüder. Sie hatten das Hakenkreuz auf der Tragfläche entdeckt.
Da die Brüder sich nicht um ihn kümmerten, nutzte Kurt die Gelegenheit und stieg die Treppe ganz hinunter. Vielleicht sah er von dort aus das Brückelzwergel. Der alte Kahn schaukelte auf den Wellen. Suchend blickte der Junge sich um. Irgendwo musste hier das Brückelzwergel sein. Er war sich seiner Sache ganz sicher.
Und Tatsächlich! Da hockte es - mitten im Kahn, war nicht größer als ein Gartenzwerg, hatte moosgrüne Haare und helle klare Augen, die genauso die Farbe wechselten wie die Wasseroberfläche der Oder bei Regen oder Sonnenschein. Um den Hals hatte es einen dicken pflaumenblauen Wollschal gewickelt.
|
© 2000 Helga Kochert. Alle Rechte vorbehalten / All Rights Reserved