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Zwei Lehrkräfte betraten den Schulraum: ein dynamisch wirkender Lehrer und eine ebenso dynamisch wirkende Lehrerin. "Wir haben uns hier versammelt, um von den Sommerferien zu erzählen und uns dabei kennenzulernen", sagte der Lehrer, ohne die Stimme
zu erheben. Die Kinder blickten wenig begeistert in die Runde. "Wir beginnen im Uhrzeigersinn", erklärte die Lehrerin mit einem gewinnenden Lächeln. "Ich heiße Frau Klemm. Ich bin nach Schweden geflogen. Besonders gut gefallen hat mir der Besuch eines
Kindermuseums bei Stockholm. Ihr wisst schon, das stärkste Mädchen der Welt in der Villa Kunterbunt." Niemand lachte. Sie wandte sich an das Kind links neben sich. "Stell du dich nun mit deinem Vornamen vor und erzähle uns etwas von deinen Ferien." Als
nach einer Weile Carmen an die Reihe kam, nannte sie mürrisch ihren Vornamen und fügte hinzu: "Wir sind nach Brasilien. War cool." Gespannt wartete sie darauf, was ihr geheimer Favorit, der blasse Junge, berichten würde. Es dauerte und dauerte; endlich war er
an der Reihe. "Ich heiße Nikita", begann der Junge und hüstelte nervös. Mehr sagte er nicht. Erwartungsvoll sah der Lehrer ihn an. "Hast du in den Ferien etwas erlebt?" Nikita wand sich unbehaglich unter den neugierigen Blicken der Jungen und Mädchen. "Hatte
einen Ferienjob." Jetzt geriet Leben in die Lehrerin. "Ach ja. Wo hast du gearbeitet?" Man sah deutlich, wie unangenehm Nikita diese Frage war. "Auf dem Friedhof", quetschte er heraus. Alle Kinder wandten ihm den Kopf zu. "Was macht man auf dem Friedhof?", wollte
ein Junge wissen. "Grabsteine putzen", nuschelte Nikita. "Im Ernst?", wunderte sich ein Mädchen. Carmen rief dazwischen: "Na klar, Dummie! Alles im Akkord." Sie erntete einen finsteren Blick von Nikita. In diesem Augenblick unterbrach der Klingelton eines Handys
das betretene Schweigen. Die dröhnenden Schläge einer Kirchenglocke weckten die letzten Schläfer dieser Gesprächsrunde. Alle lachten aus vollem Halse. Mit rotem Kopf suchte die Täterin in ihrem Rucksack nach der Ausschalttaste.
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