Home Ferien im Monsterland

106. Lebensfreude

"Ihr glaubt gar nicht, wie fit ich bin!" ruft Anna zwei Stunden später vor überschäumender Freude und tanzt lachernd über die Wiese. "So gute frische Luft! Und kein vermummtes Monster zu sehen, das mich entführen will."
Robin, dem immer noch der Schreck in den Knochen sitzt, nickt zu ihren Worten. "Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Angst ich um dich ausgestanden habe", versichert er nachdrücklich.
"Als Leibwächter habe ich total versagt", meint Kwick zerknirscht.
"Wer rechnet auch mit einem Überfall in Haineta", sagt Lisa kopfschüttelnd. Aus der Ferne ruft Frau Schlotterbeck: "Kinder! Das Picknick ist fertig!"
Sie laufen zu den Schlotterbecks zurück, wobei Domino am schnellsten ist. Wie gastfreundlich und hilfsbereit die Vampirfamilie ist. Als Anna überraschend im Sarg gefunden wurde, hat Herr Schlotterbeck sofort den Kapitän geholt und dafür gesorgt, dass das Mädchen befreit wurde.
Auf der Wiese am Seeufer hat Frau Schlotterbeck ein Tischtuch ausgebreitet. Darauf stehen die leckersten Gerichte: Ketchup-Pastete, Zitteraal-Sandwiches, gezuckerte Tollkirschen, Sagopudding, Schleentörtchen, Haferschleimplätzchen und Pepperonitorte.
Für Getränke ist auch gesorgt. Es gibt Preiselbeersaft, Brennesseltee, Kribbelwasser oder Schwitzwasser-Brause. Das üppige Essen versetzt alle in gute Stimmung. Sie reden über Annas Entführung.
"Plötzlich hat mich jemand im dunklen Tunnel vom Fließband gestoßen. Durch einen Gang wurde ich in eine Kammer gezerrt. Ich sah den Sarg und bekam furchtbare Angst", erzählt Anna aufgewühlt.
"Das war das Wassergespenst!" ruft Anastasia aufgeregt.
"Nein, Anastasia. Das war ein vermummtes Monster", sagt Anna freundlich. "Das Monster befiehlt mir, einen Abschiedsbrief an Robin zu schreiben." Anna legt eine Pause ein. Alle lauschen gespannt.
"Wenn ich mich weigere, wird Robin umgebracht." Anna ist noch nachträglich empört. "Dieses abscheuliche Monster zwingt mich, den Brief zu schreiben."
Anna angelt nach einer gezuckerten Tollkirsche. "Da habe ich den Brief geschrieben und eine Botschaft darin versteckt." Sie schenkt Robin ein strahlendes Lächeln. "Zum Glück hat Robin die Botschaft verstanden."
"Nur mit Lisas Hilfe", sagt Robin bescheiden.
"Es war schrecklich. Ich wurde gefesselt und geknebelt und in den Sarg gelegt. Damit ich etwas Luft habe, hat das Monster ein Tuch genommen und zwischen Deckel und Sarg gestopft."
Anna blickt in die Ferne. "Wenig später trägt man mich an Bord. Es war eine Ewigkeit. Dann öffnete sich der Deckel. Und ich sah euch! Ach, ihr glaubt gar nicht, wie froh ich war", beendet Anna ihren Bericht.
Herr Schlotterbeck bemerkt: "Der Kapitän war völlig ahnungslos. Er wusste nicht einmal, wer der Auftraggeber war." Er räuspert sich. "Nun, wer es auch war, er wollte dich lebendig. Warum nur?"
"Um an mein Gold zu kommen", erwidert Anna überzeugt. "Ganz klar, das Goldmonster steckt dahinter."
"Esst von dem Nachtisch", fordert Frau Schlotterbeck die Kinder auf.
"Wie schön, dass wir alle hier gesund beisammen sind und es uns gut gehen lassen", sagt Herr Schlotterbeck.
"Das Wichtigste im Leben ist", bekräftigt seine Frau, und sie sieht zufrieden auf ihre sechs Kinder, "dass man in der Not zusammenhält."
Als am späten Nachmittag die Schlotterbecks in ihren Leichenwagen steigen, um nach Schloss Purpurstein zurückzufahren, winken die vier Kinder ihnen lange nach.
"Was für eine nette Familie", sagt Anna begeistert. Darin sind sich alle einig.


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