129. Die Wasserhexe kommt
Domino gibt es endlich auf, hinter der Setterhündin Bonny herzulaufen, da sie es ja doch nicht merkt, und trottet enttäuscht zu den Kindern zurück.
Das Gewitter wird immer stärker. Blitz auf Blitz durchzuckt den schwarzen Nachthimmel, pausenloser Donner rollt über die Kleinstadt Hirschheim hinweg. Der Regen trommelt auf die Dächer.
Besorgt schauen die Freunde zu dem offenstehenden Fenster hin. Der Teppichboden unter dem Fenster ist bereits nass. Ungehindert streicht der kühle Nachtwind über die Gesichter der schlafenden Kinder.
"Sollen wir das Fenster schließen?" fragt Lisa besorgt.
"Das dürfen wir auf gar keinen Fall", erinnert ihr Bruder sie, "weil wir dann den Ablauf der Geschichte verändern."
"Genau," stimmt Kwick ihm zu. "Nik sagt, die Vergangenheit hat ihre eigenen Gesetze."
"Sieh mal!" Starr vor Schreck packt Anna die Freundin am Arm.
Lisa schaut wieder zum Fenster hin. Auch sie erschrickt zutiefst. Eine dunkle Gestalt mit Hexenhut, glatten grünen Schnittlauchhaaren, glühenden roten Augen und dürren Hände ist dort aufgetaucht. Es
ist Annas Mutter, die Wasserhexe, die in das Kinderzimmer starrt und die zwei kleinen Kinder in ihren Betten schlafen sieht. Ein breites Grinsen erscheint auf dem Gesicht der Hexe. Schnell kommt Bonny angelaufen, wütend bellt sie die fremde Gestalt an.
Wendig wie eine Schlange schlüft Annas Mutter durch das Fenster. "Weg mit dir!" schreit sie Bonny an und verpasst der Hündin einen Fußtritt.
Triumphierend eilt die Hexe zu dem Bettchen und nimmt das schlafende Baby an sich.
"Nein!" schreit Anna gequält auf. Aber die Wasserhexe hört und sieht die Freunde nicht. "Was haben wir denn da?" krächzt sie erfreut. Hurtig verschwindet sie mit dem Baby Lara durch das Fenster
in das Unwetter zurück.
"Nein!" schreit Anna zum zweiten mal gequält auf. Heiße Tränen rinnen dem Mädchen über das Gesicht.
Die eigene Entführung mit anzusehen, ist viel schmerzlicher, als sie sich vorgestellt hat.
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