12 An einem sonnigen Herbsttag sammelte Jenny die ersten Walnüsse in einen Korb. Sie bückte sich gerade nach einer Nuß, da wurde sie angeschrien: "Hier treibst du dich also herum! Dann sind diese scheußlichen Blumensträuße von dir. Das hätte ich mir denken können." Erschrocken blickte Jenny auf. Vor ihr stand ihre Mutter; aber nein, das konnte nicht ihre Mutter sein. Die Augen blickten so kalt. Das mußte Frau Pocke sein. Zum Glück trug Jenny ihren Sonnenhut. Frau Pocke stemmte die Arme in die Hüften. Ihre harten Augen blickten böse.
"Du undankbares Ding! Wie kannst du es wagen, dich mir zu widersetzen!" Sie versuchte, Jenny den Hut vom Kopf zu schlagen. Aber Jenny paßte auf. Sie duckte sich, ließ ihren Korb fallen und rannte davon. "Bleib' stehen!" kreischte Frau Pocke. Doch Jenny rannte quer durch den Schloßgarten zu der geheimen Tür in der Gartenmauer. "Rohgeloh, faß!" hörte sie Frau Pocke befehlen. Jenny schlüpfte durch die geheime Tür ins Freie. Schweratmend lehnte sie sich gegen die Mauer, um nach Atem zu schöpfen. Da kam Rohgelog durch die Tür gerannt. "Ich muß so tun, als würde ich dich verfolgen", keuchte der treue Hund. Er blieb auch stehen und rang nach Atem. "Du mußt fort", drängte Rohgeloh. "Verlasse das Tal über die Berge." "Ohne meinen Freund möchte ich nicht fortgehen. Sag' mir bitte, wo ich ihn finde." "Frage die Ratten oder Feen", riet Rohgeloh ihr. "Und nun beeile dich. Ach, du wirst mir fehlen." "Du mir auch, Rohgeloh!" "Faß, Faß!" kreischte Frau Pocke im Garten. "Schnell! Lauf' du nach rechts, ich laufe nach links", sagte Rohgeloh. Jenny winkte zum Abschied, dann lief sie, wobei sie ihren Sonnenhut festhielt, so schnell sie konnte in die beschriebene Richtung.
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