Home Ferien im Monsterland

6. Eine Kletterpartie

Nie hätte Robin gedacht, dass es dermaßen anstrengend ist, die alte Eisenleiter hinaufzuklettern. Sprosse für Sprosse kämpft er sich aufwärts. Sein Herz klopft heftig. Er vermeided es, nach unten zu sehen, damit ihm nicht schwindelig wird. Allein die Vorstellung, die wackelige Leiter könnte sich unter seinem Gewicht aus der Verankerung lösen, treibt ihm den Angstschweiß auf die Stirn.

"Weiter so. Etwa noch sechs Meter, dann bist du oben!" feuert Lisa ihn an. Sie meint es gut, aber Robin hätte gerne auf ihre Hinweise verzichtet. Noch sechs Meter! Ihm graut.
Fast hätte er aufgeben und wäre eilig umgekehrt. Doch ein Zufall hilft ihm. Unerwartet beginnt es über seinem Kopf laut zu zischen, zu stampfen, zu rattern und zu pfeifen. Was ist das? Der Lärm gefällt ihm. Die Geräusche nehmen zu, entfernten sich wieder und kommen zurück. Sie machen ihn neugierig.
Mit zusammengebissenen Zähnen klettert Robin weiter. Nur nicht darüber nachdenken, was ihm bei diesem riskanten Unternehmen alles passieren könnte.
Lisas Stimme wird leiser. Er achtet nicht mehr auf ihre Worte, sondern kämpft sich weiter nach oben, Sprosse für Sprosse. Seine Beine zittern, seine Arme wollen ihren Dienst versagen.
Und dann, als er schon nicht mehr daran glaubt, hat er es geschafft!
Er schaut über die Mauerkante, und da sieht er sie: zwei rußschwarze Dampflokomotiven, die in wenigen Metern Entfernung vor einem Güterbahnhof rangieren und mehrere Güterwagen ziehen. Einer der Güterzüge rattert dicht an ihm vorbei. Ein schriller Pfiff ertönt, weißer Dampf quillt seitlich hervor, umhüllt die Räder.
Robin zuckt zusammen. Der Lokomotivführer schaut aus dem heruntergelassenen Seitenfenster des Führerraums, brüllt aufgebracht und droht ihm mit der Faust. Der Mann sieht aus wie ein Monster!
Vor Schreck wäre der Junge fast von der Leiter gefallen.


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